Sehr geehrte Frau Bundesrätin,

 

Mit dem Bau des Gesamtverkehrssystem Bypass wollen Sie die Autobahn in der Agglomeration Luzern massiv ausbauen. Vor dem Hintergrund der riesigen Herausforderungen des Klimawandels und den Verkehrsperspektiven 2050 stellt sich uns die Frage, ob der Bau des Bypass noch zeitgemäss ist. Insbesondere interessiert uns Ihre Haltung zu folgenden Fragen:

 

Wie bringen Sie die Absicht, den öV zu fördern, mit einem gleichzeitigen Kapazitätsausbau des motorisierten Individualverkehrs zusammen?

Ihr Bundesamt für Verkehr (BAV) verlangt vom Kanton Luzern einen höheren Anteil des öffentlichen Verkehrs am Modal-Split, damit der Durchgangsbahnhof ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis erzielt und einen positiven Finanzierungsentscheid erreicht. Dies finden wir richtig. Der Bypass läuft diesem Ziel jedoch krass entgegen. Der Bypass erhöht die Strassenkapazitäten markant und macht das Autofahren in der Agglomeration Luzern massiv attraktiver. Der Bypass ist Gift für das Verlagerungsziel. Was schlagen Sie vor, mit welchen Massnahmen kann in der Stadt und Region der öV-Anteil trotz des massiven Strassenausbaus erhöht werden?

 

Der Bypass schafft eine massive Überkapazität. Wie ist der Bypass mit dem 4V-Prinzip vereinbar?

In der heutigen Zeit sollten Verkehrsprojekte so ausgestaltet werden, dass sie zwar mehr Mobilität ermöglichen, aber nicht zu MIV-Mehrverkehr führen. Das Prinzip der 4V (Verkehr vermeiden, Verkehr verlagern, Verkehr vernetzen und verträglich gestalten) ist auch in der Bundesverwaltung und in Ihrer Politik verankert, geschätzte Frau Bundesrätin. Beim Projekt Bypass scheint dieses Prinzip aber nicht angewendet worden zu sein. Können Sie uns mitteilen weshalb?

 

Wo liegt der effektive Nutzen für die Stadt Luzern und die Bevölkerung?

Die Realisierung eines Verkehrsprojektes in der heutigen Zeit darf keine Verlierer*innen produzieren. Es kann nicht sein, dass sie eine Verkehrsmaschine generieren, die als einzigen Zweck hat, den Autoverkehr attraktiver zu machen und damit noch mehr Verkehr generiert. Der Bypass führt zu einer Verkehrszunahme. Noch schlimmer, der Bypass führt allein zu Mehrverkehr, aber zu keinen Entlastungen. Der Nutzen für die Bevölkerung der Region Luzern ist nachweislich gleich Null. 80% des Verkehrs auf der Autobahn Luzern startet oder endet in der Region. Die Stadt wird vom Bypass nicht profitieren, der öffentliche Verkehr wird mit dem aktuellen Projekt nicht gestärkt. Es können entgegen früheren Versprechen keine Busspuren realisiert werden, die für die Zuverlässigkeit des öffentlichen Verkehrs wichtig wären. Während mindestens drei Jahren wird der Autobahnverkehr mitten durch die Stadt umgeleitet – ohne dass die Bevölkerung je einen spürbaren Nutzen vom Bypass erleben wird.

 

Gegeben die neu entstehende Überkapazität: Ist für Sie ein Rückbau der bestehenden Autobahn denkbar?

Nach der Realisierung des Bypass führt eine 10-spurige Autobahn auf Teilstrecken (Emmen-Süd bis Kasernenplatz) durch Stadt und Region Luzern. Auf den anderen Teilstücken werden es 8 Spuren sein. Eine 10-spurige Autobahn im Raum Luzern ist trotz Durchgangsverkehr völlig überrissen und nicht einmal der prognostizierten Nachfrage entsprechend. Können Sie sich vorstellen, die Kapazitäten auf der bestehenden Autobahn zurückzubauen?

 

Wie begründen Sie das Vorgehen des ASTRA, die Planung des Bypass an veralteten Annahmen auszurichten?

Nicht nur die von VCS und WWF in Auftrag gegebene Studie zeigt auf, dass das Zahlenmaterial zur Begründung des Bypass veraltet ist und auf mangelhaft erarbeiteten Annahmen zur Verkehrsentwicklung beruht. Auch die «Verkehrsperspektiven 2050» des Bundes weisen in diese Richtung. Wir verstehen nicht, warum Sie bei einem so grossen und einschneidenden Projekt nicht darauf bestehen, dass als Entscheidungsgrundlage die neuesten Erkenntnisse und aktuelles Zahlenmaterial genutzt werden. Welche Auswirkungen haben diese neuen Erkenntnisse für die Notwendigkeit und den «Nutzen» des Bypass? Muss die Projektierung des Bypass nicht angepasst werden? Werden Sie die Projektierung aufgrund dieser Unstimmigkeiten nochmals überarbeiten und erneuern?

 

Wieso wird die Klimabelastung durch den Bau und den Zusatzverkehr nicht aufgezeigt? Wie ist der Bypass mit der Klimapolitik vereinbar?

Wir haben eine Klimakrise. Da ist es unserer Meinung nach eine Minimalanforderung, bei geplanten Infrastrukturprojekten die zu erwartenden Auswirkungen aufs Klima auszuweisen und den CO2-Bedarf für den Bau korrekt und vollständig zu berechnen. Die Belastungen für Umwelt und Klima sollen sichtbar werden.

 

Sind Sie sicher, dass mit dem Bypass die Prioritäten richtig gewichtet werden?

Mindestens zwölf Jahre Bauzeit und 1.75 Milliarden Franken würde der Bypass brauchen. Liebe Frau Bundesrätin, stellen Sie Sich vor, wieviel Sie in dieser Zeit und mit diesem Betrag für den Klimaschutz bewirken könnten!

 

Ausgehend von unseren Fragen zum Projekt wird die Fragwürdigkeit des Bypass deutlich. Wir wünschen uns, dass Sie unsere Bedenken ernstnehmen, die wir mit einem grossen Teil der Bevölkerung teilen.

Mit freundlichen Grüssen aus dem (noch) schönen Luzern

Christa Wenger                                                                          Elias Steiner

Co-Präsidium der GRÜNEN Stadt Luzern

 

 

Luzern, 29. März 2022