Im März 2012 ist das Reglement über die Strassenprostitution in Kraft getreten. Dadurch hat sich die legale Strassen-Sexarbeit im öffentlichen Raum in Luzern vom Tribschenquartier in den Ibach verlagert. Dass damit die Sicherheit für die Sexarbeiter:innen massiv abgenommen hat, wurde bereits bei Inkrafttreten des Reglements von Fachleuten thematisiert. Auch der Regierungsrat, der Stadtrat, das Parlament und die Luzerner Polizei erkannten schon damals die heikle Situation.

Wir sehen die Stadt Luzern in der Verantwortung, eine sichere Situation für alle Sexarbeitenden zu schaffen, sowie auch für die Mitarbeiterinnen vom Verein LISA.
Selina Frey, Co-Fraktionschefin Grosser Stadtrat

Im November 2013 wurde der Verein LISA gegründet, welcher seit Dezember 2013 mit dem «hotspot – Beratungs-Container am Strassenstrich» ein Angebot für die Sexarbeiter:innen vor Ort anbietet (2022 haben laut Jahresbericht von LISA 1386 Sexarbeiter:innen den Container besucht). Der Container ist durchschnittlich an vier
Abenden pro Woche für jeweils drei Stunden geöffnet. Hier können Sexarbeiter:innen auftanken, Kondome beziehen, sich im Winter aufwärmen, etwas essen und trinken, sich unterhalten und gegenseitig unterstützen.
Zudem können sie sich von ausgebildetem Personal in Alltagsfragen, Gesundheitsfragen, Arbeitssicherheit und auch im Bereich Gewaltprävention beraten lassen. Allerdings sind die Sexarbeitenden jeden Abend bis zu zehn
Stunden in Ibach, was bedeutet, dass sie die meiste Zeit alleine sind und keinen sicheren und geschützten Ort zur Verfügung haben. Um die Sicherheit und den Schutz der Sexarbeitenden zu erhöhen, wurden bereits verschiedene Massnahmen ergriffen; es wurden ein Serviceplatz / Verrichtungsplatz (Platz für vier Autos) und
eine 24/7-zugängliche Toilette eingerichtet und es findet regelmässige Polizeipräsenz statt.

Alle getroffenen Massnahmen sind jedoch Symptombekämpfung. Am Standort Ibach fehlt jegliche soziale Kontrolle und die Sicherheit der Sexarbeitenden ist nach wie vor nicht gewährleistet. Der Ibach ist mit den öV nicht erschlossen. Wenn Sexarbeiter:innen die sexuellen Dienstleistungen nicht auf dem Serviceplatz verrichten, wickeln sie diese in ihren weiter weg gelegenen Zimmern oder im Wald ab. Danach müssen die Sexarbeiter:innen wieder mit dem Taxi zurück in den Ibach.
Gemäss Angaben des Vereins LISA arbeiten im Ibach pro Abend zwischen 10 und 15 Sexarbeiter:innen. Die Zahlen zeigen, dass legale Sexarbeit im öffentlichen Raum in Luzern nach wie vor eine Tatsache ist.
Im Jahr 2014 wurde eine Sexarbeiterin aus dem Ibach ermordet. Das Tötungsdelikt hat grosse Betroffenheit ausgelöst. Gemäss Angaben des Vereins LISA ist es seit 2013 im Ibach schon zu verschiedenen Tätlichkeiten, Drohungen, Überfällen, Diebstählen, Belästigungen, sexuellen Nötigungen und Vergewaltigungen durch
Kund:innen gegenüber Sexarbeitenden gekommen.
Im April 2023 ereignete sich im Ibach erneut ein gewalttätiger Vorfall, der deutlich macht, dass die Sicherheitssituation für Sexarbeitende eindeutig ungenügend ist. In der Luzerner Zeitung war zu lesen: «Ein maskierter Mann bedrohte mit einer Axt eine Sexarbeiterin. Nur durch das Herbeieilen von anderen konnte Schlimmeres verhindert werden.»